Zitat von Aixbock"Intellektuell redlich" wäre es auch gewesen, dem Sokrates nicht die Ambitionen des Cusanus lateinisch auf die griechische Zunge zu legen, lieber Graf Stahlgewitter. Wenn wir schon schon über dergleichen Themata ergießen, wollen wir vielleicht bei uns selbst beginnen.
. Aixbock
Lieber Aix,
da hast Du völlig recht, ich habe diese kleine Umcodierung von Gadamer, der es in den 90ern mal in einem Fernsehfeature in Bezug auf Sokrates sagte. Ansonsten weißt Du ja, daß jeder Stupser in Deine Richtung bei mir immer ein Zeichen hoher Wertschätzung darstellt.
Zitat von dropkick murphyFremdsprachen in einem Fußballforum.... ............reicht es nicht schon wenn man meint sich mit Fremwörtern "schmücken" zu müssen?
Pssst. Manche haben nicht gemerkt, daß wir schon zwei Jahrtausende weiter sind. Laß sie mal weiterschlafen ...
Wenn ich Dich nochmal ganz kurz wecken darf: Es sind sogar 2500 Jahre seit Heraklit vergangen. Du bist also noch weiter, als Du geahnt hast. Das ist aber auch ein rechter Scheißdreck, den die Griechen sich da zusammengeschwurbelt haben, wenn man es mit dem vergleicht, was Du so von Dir gibst.
Überhaupt scheinst Du komplett recht zu haben mit Deiner These von der stetigen Höherentwicklung des Menschengeschlechts. Thales, der ersten namentlich bekannte Philosoph des Abendlandes, soll angeblich in einen Brunnen gefallen sein, weil er beim Gehen zum Himmel blickte und wohl die Sterne beobachtete (die ersten griechischen "Philosophen" waren eigentlich so etwas wie die ersten Naturwissenschaftler, wenn auch sehr, sehr spekulativ bisweilen).
Tja, sowas kann den jungen Menschen, die heute zwischen 15 und 25 sind, nicht mehr passieren. Die gucken immer schräg nach unten. Da kann man wieder sehen, wie weit wir schon gekommen sind.
Zitat von Aixbock"Intellektuell redlich" wäre es auch gewesen, dem Sokrates nicht die Ambitionen des Cusanus lateinisch auf die griechische Zunge zu legen, lieber Graf Stahlgewitter. Wenn wir schon schon über dergleichen Themata ergießen, wollen wir vielleicht bei uns selbst beginnen.
. Aixbock
Lieber Aix,
da hast Du völlig recht, ich habe diese kleine Umcodierung von Gadamer, der es in den 90ern mal in einem Fernsehfeature in Bezug auf Sokrates sagte. Ansonsten weißt Du ja, daß jeder Stupser in Deine Richtung bei mir immer ein Zeichen hoher Wertschätzung darstellt.
Natürlich weiß ich das. Wie Du weißt, ist übrigens der Heraklit vieldeutig, und das liegt ja daran, daß der Zusammenhang des obigen Zitats selbst aus dem Zusammenhang gerissen ist, und zwar von dem Kirchenvater Hippolytos, der es zitiert. Keiner weiß, welch genauem ursprünglichen Zusammenhang in Heraklits ???? ?????? das Zitat entstammt; denn die Schrift ist, wie Du weißt, verschollen, nicht mal der Titel ist der des Autors. Aber natürlich hatte Hippolytos einen eigenen Zusammenhang, in den er das aus dem Zusammenhang gerissene Zitat integrierte. Diesem Zusammenhang entnahm es wiederum Hermann Diels für die berühmte Sammlung der Vorsokratikerfragmente, in der es dann so wirkt wie ein Aphorismus, weil Diels keinen eigenen Zusammenhang herstellt.
. Durch diese Umstände fühle ich mich nun einmal berechtigt, das Zitat in meinem Sinne hier einzufügen und hoffnungsvoll auf den gegenwärtigen internen Streit bei unserem FC in Anwendung zu bringen, auch wenn ich selbstverständlich demütigst anerkenne, daß "der Dunkle" es nicht für den FC reserviert haben wollte. . Aixbock
Zitat von AixbockWie Du weißt, ist übrigens der Heraklit vieldeutig, und das liegt ja daran, daß der Zusammenhang des obigen Zitats selbst aus dem Zusammenhang gerissen ist, und zwar von dem Kirchenvater Hippolytos, der es zitiert. Keiner weiß, welch genauem ursprünglichen Zusammenhang in Heraklits ???? ?????? das Zitat entstammt; denn die Schrift ist, wie Du weißt, verschollen, nicht mal der Titel ist der des Autors. Aber natürlich hatte Hippolytos einen eigenen Zusammenhang, in den er das aus dem Zusammenhang gerissene Zitat integrierte. Diesem Zusammenhang entnahm es wiederum Hermann Diels für die berühmte Sammlung der Vorsokratikerfragmente, in der es dann so wirkt wie ein Aphorismus, weil Diels keinen eigenen Zusammenhang herstellt.
. Durch diese Umstände fühle ich mich nun einmal berechtigt, das Zitat in meinem Sinne hier einzufügen und hoffnungsvoll auf den gegenwärtigen internen Streit bei unserem FC in Anwendung zu bringen, auch wenn ich selbstverständlich demütigst anerkenne, daß "der Dunkle" es nicht für den FC reserviert haben wollte. . Aixbock
Das ist ein sehr interessanter Punkt, lieber Aix. Ich habe viel über Editionsphilologie und die Überlieferungsgeschichte der (besonders archaischen) gr. Literatur gearbeitet, ich glaube, den ubiquitären "Wandertitel" Peri Physeos, der den älteren Autoren von hellenistischen Philologen und Möchtegern-Historiographen zugesprochen wurde, kann man bei Heraklit getrost ad acta legen. Wie bei vielen anderen vermutlich auch, den Milesiern bis Anaximander, wenn auch aus etwas anderen Erwägungen.
Es ist wohl einfach so, daß für die hellenistischen Bibliothekare jeder frühe Philosoph ein "physikós" gewesen ist, im Unterschied zu den mehr "anthropologisch" arbeitenden Sophisten einige Zeit später, dieser Unterschied sollte wohl mit diesem Sammelwerk-Titel ausgedrückt werden.
Über Heraklit gibt es ja diese Anekdote (ich glaube, bei Diog. Laertios), er habe sein "Buch" (was auch immer das als physisches Objekt gewesen sein mag, eine Papyrosrollensammlung oder eine Art früher Codexvorläufer aus Pergament) im Artemistempel in Ephesos als Weihgabe dargebracht. Darüber wurde viel hin und her spekuliert und es wurden kleine Nachweise zu führen versucht, ob es sich dabei um das "Physikbuch" oder um die zuvor von mir erwähnte Aphorismensammlung gehandelt haben könnte.
Ich muß sagen, aus rein literarischen bzw. genauer literaturwissenschaftlichen Erwägungen ziehe ich die Aphorismenthese entschieden vor. Wenn alle diese zugespitzen, pointierten Gnomen Heraklits tatsächlich aus einem (prosaischen) Erörterungszusammenhang gerissen wären, dann müßte das "Physikbuch" des Heraklit ausgesehen haben wie Goethes Farbenlehre, nur in Gestalt des West-Östliche Divan gekleidet.
Heraklit stammte zwar räumlich auch aus Milet (der "Brutstätte" der frühesten Naturphilosophen und übrigens auch einem der Entstehungsorte erster demokratischer Ordnungsversuche einer Polis), aber er gehört für mich als Autore viel eher in eine Riege mit Phytagoras und selbstverständlich Parmenides, dessen "Lehrgedicht" kosmologische Implikationen ebenfalls eher als Topos aufnimmt, denn als Fokus der Aussage ansteuert.
Bei Heraklit war es noch leichter, seine vielen, dunklen Gegensatz-Aphorismen zu einer kosmologischen Aussage zusammenzubasteln (er hat es selbst mit dem Begriff "Feuer" angeregt, weswegen in populärwissenschaftl. Darstellungen auch oft zu lesen steht, Heraklit habe das Feuer als Urstoff des Universums angenommen).
Schließlich paßt Heraklits Andeutung des allumfassenden LOGOS nicht sonderlich gut zu einer genuinen Physikschrift. Die natürlich auch einfach nur diesen (wie Du richtig schreibst in jedem Falle nachträglich vergebenen) Titel getragen und inhaltlich etwas anderes thematisiert haben kann, aber dennoch: Wenn Heraklit einen Urstoff oder andere typische naturphilosophische Themen hätte ansprechen wollen, hätte er gut daran getan, nicht so kryptisch zu sein (obwohl auch diese Kombination bei Anaximander in best. Hinsicht vorgebildet war).
Ich halte - und hierbei folge ich Glenn Mosts hochinteressanten Aufsätzen - Heraklit in erster Linie für einen geistreichen Schriftsteller, ja geradezu einen Dichter, in seiner Sprache viel eher Aischylos vergleichbar als Anaxagoras oder (später) Demokrit. Und deswegen votiere ich für eine Schrift Heraklits, in der wahrscheinlich bereits viele sorgfältig voneinander trennte Aphorismen/Apophthegmata gestanden haben und die nicht in einer zusammenhängenden Erörterung bestand.
Deswegen legte ich soviel Gewicht auf den Zusammenhang des einzelnen Ausspruchs, obwohl das natürl. in diesem Forum total spielerisch-neckend geschah und erst durch unsere jetzige Diskussion irgendeinen Sinn bekommen haben könnte. Heraklit hat so geschrieben, daß er in aller Kürze zitiert werden kann, aber manchmal ist die Kürze dann eben doch die relative Länge des (sekundärüberlieferten und dabei sicherlich auch oft nochmal veränderten) Zitats.
Heraklit mit dem FC in Zusmmanheng zu bringen, enthält für mich jede nur erdenkliche Plausibilität. Sowohl formal, als auch inhaltlich. Es gibt gar keinen geeigneteren Hausphilosophen fürs Geißbockheim als den Mann, der alles ansprach, aber nichts wirklich ausführte.
Auf Sprachnachrichten von Heraklit zu hoffen, das traue ich mich nicht, davon steht nichts bei Pfeiffer, Pöhlmann oder Snell.
Nun, darüber finden wir bei Hippolytos natürlich nichts...
. Aixbock
Könnte ein Erklärungsansatz sein, warum er jungfräulich blieb
Nein nein, das war der mythologische Hippolytos, Aix meint eine historische Person dieses Namens, einen der Überlieferungsbeiträger von Heraklits Texten. Der kann antürl. auch jungfräulich geblieben sein, aber das würde mich doch wundern angesichts der sehr bequemen Zugänglichkeit von Hetären und Knaben im antiken Griechenland.
Nun, darüber finden wir bei Hippolytos natürlich nichts...
. Aixbock
Könnte ein Erklärungsansatz sein, warum er jungfräulich blieb
Nein nein, das war der mythologische Hippolytos, Aix meint eine historische Person dieses Namens, einen der Überlieferungsbeiträger von Heraklits Texten. Der kann antürl. auch jungfräulich geblieben sein, aber das würde mich doch wundern angesichts der sehr bequemen Zugänglichkeit von Hetären und Knaben im antiken Griechenland.
Entscheidend ist, daß er als Kirchenvater wahrscheinlich sich nicht ausführlich über Titten geäußert haben mag, über Titten und Heraklit schon gar nicht; denn das wüßten wir, das wäre dem Diels aufgefallen. . Aixbock
Zitat von Graf Wetter vom Strahl Schließlich paßt Heraklits Andeutung des allumfassenden LOGOS nicht sonderlich gut zu einer genuinen Physikschrift.
Dies wäre dann die interessante Frage. Bei diesen frühen Denkern sollte man nicht die Geist-Körper-Dichotomien Späterer unterstellen. Wir neigen dazu, diese ganz Alten durch die Brille der (weniger) Alten zu betrachten, schon in Ermangelung einer hinreichenden literarischen Tradition. Ich glaube (glaube!) nicht an eine Aphorismussammlung, auch wenn Heraklit keine Wissenschaftsprosa wie Aristoteles (und der ja auch nur in seinen esoterischen Schriften) hervorgebracht haben wird. - Noch für die Stoiker im übrigen, die ebenfalls eine Logoslehre entwickelten und sich dabei auf Heraklit beriefen, war dieser ????? explizit Gegenstand der Physik, weil er als stoffliches Prinzip verstanden wurde.
Nein, nein, ich würde den Begriff "Logos" sicher nicht als ein dezidiert aphysisches Prinzip im Sinne späterer (vornehmlich platonischer) Körper-Geist-Dichotomien auffassen wollen. Aber es steht wohl angesichts des Überlieferten außer Frage, daß Herklits "Logos" nicht einfach als Analogon zu Wasser oder Luft bei seinen Vorgängern verstanden werden kann. Was nicht abschließend gegen ein "Physikbuch" spricht. Denn das kann, wie erwähnt, ja auch innerhalb des herkömmlichen Rahmens sehr eigenwillige Neuerungen enthalten haben.
Die Vorsokratiker sehen wir allerdings weniger aus platonischer, als aus aristotelischer Perspektive, insbesondere in dessen Koordinatensystem von dynamis und energeia, hyle und eidos und dergleichen. Wenn man Heraklit daraus hervorschälen möchte, dann kommt m.E. so recht der schriftstellerische (und damit im Sinne früher Wissenschaftsbemühungen eher "unphysische") Zug seiner Arbeit zum Tragen.