Da wir ja über Wald und Baum bei Wieland gelandet sind, dem ältesten und mittlerweile wohl am wenigsten geläufigen Mitglied des Weimarer "Viergestirns", hier noch ein weiteres schönes Zitat, auch aus dem Musarion:
"Denn Schwärmerey steckt wie der Schnuppen an. Man fühlt, ich weis nicht was, und eh man wehren kann, Ist unser Kopf des Herzens nicht mehr mächtig."
Da war er der modernen Psychologie wohl schon im 18. Jahrhundert ein bisschen voraus...
Ein Ziel, wird immer wieder von mir verlangt, ein Ziel sollte ich haben. Mein Gott, muss ich da fragen, wo soll denn das hinführen? Christof Stählin
Auch in diesem Jahr haben bedeutende Literaten Jubiläen, einige davon beginnen mit dem Buchstaben M. Wir sprachen ja schon von Conrad Ferdinand Meyer, der im Oktober 200 würde, und von Thomas Mann, dessen 150. Geburtstag wir in diesem Jahr feiern können. Ein anderer mit dem Buchstaben M ist der schwäbische Dichter Eduard Mörike, der vor 150 Jahren gestorben ist. Mörike starb am 4. Juni 1875, Mann wurde am 6. Juni 1875 geboren. Beide hätten sich also beinahe die Klinke in die Hand gegeben.
Heute ist Frühlingsanfang, da bietet es sich besonders an, sich an Mörike zu erinnern. Denn zu seinen bekanntesten Versen gehört das Frühlingsgedicht "Er ist's".
Here it comes:
Er ist's
Frühling läßt sein blaues Band Wieder flattern durch die Lüfte; Süße, wohlbekannte Düfte Streifen ahnungsvoll das Land. Veilchen träumen schon, Wollen balde kommen. Horch, von fern ein leiser Harfenton! Frühling, ja du bist's! Dich hab ich vernommen!
Ein Ziel, wird immer wieder von mir verlangt, ein Ziel sollte ich haben. Mein Gott, muss ich da fragen, wo soll denn das hinführen? Christof Stählin
Und so ist unser erstes Schweigen: wir schenken uns dem Wind zu eigen, und zitternd werden wir zu Zweigen und horchen in den Mai hinein. Da ist ein Schatten auf den Wegen, wir lauschen, – und es rauscht ein Regen: ihm wächst die ganze Welt entgegen, um seiner Gnade nah zu sein
Ich habe aus dem Garten das erste Blümchen geschnitten; es steht nun auf dem Tisch neben der abgebrannten Kerze aus dem Winter noch.
Aixbock
„Da wir nichts tun können als schreiben, so müssen wir tun, was wir können.“ - Christoph Martin Wieland
"Die Frage ist nicht, was wir dürfen. Die Frage ist, was wir mit uns machen lassen“ - Nena, 25.7.2021
Gut, gern also auch musikalisch und schön stabend:
"Winterstürme wichen dem Wonnemond, in mildem Lichte leuchtet der Lenz; auf linden Lüften leicht und lieblich, Wunder webend er sich wiegt; durch Wald und Auen weht sein Atem, weit geöffnet lacht sein Aug': - aus sel'ger Vöglein Sange süss er tönt, holde Düfte haucht er aus; seinem warmen Blut entblühen wonnige Blumen, Keim und Spross entspringt seiner Kraft. Mit zarter Waffen Zier bezwingt er die Welt; Winter und Sturm wichen der starken Wehr: wohl musste den tapfern Streichen die strenge Türe auch weichen, die trotzig und starr uns trennte von ihm. - Zu seiner Schwester schwang er sich her; die Liebe lockte den Lenz: in unsrem Busen barg sie sich tief; nun lacht sie selig dem Licht. Die bräutliche Schwester befreite der Bruder; zertrümmert liegt, was je sie getrennt: jauchzend grüsst sich das junge Paar: vereint sind Liebe und Lenz!"
Nach Lyrik, Drama und Musik fehlt eigentlich noch ein Film. "Frühlingssinfonie" ist ein Film von Peter Schamoni über die Liebe von Robert Schumann und Clara Schumann (geb. Wieck) und Schumanns 1. Sinfonie. Herbert Grönemeyer spielt den Robert Schumann und Nastassja Kinski die Clara Wieck. Der Kritiker Friedrich Luft schrieb zu diesem Film:
"Dieser Film von Peter Schamoni ist mehr als nur die redliche Auspinselung von bekannten Musikerschicksalen. Er klingt wirklich. Er ist sehenswert. Sogar für Musikfreunde und Schumann-Kenner."
Warum nur ist mir Frühlingserzählung nicht eingefallen, als ich gestern nach einem Film mit Frühlingsbezug suchte?
"Frühlingserzählung" ist ein Film des französischen Filmemachers Eric Rohmer und Teil von dessen Filmzyklus "Erzählungen der vier Jahreszeiten", der aus vier Filmen besteht (einen für jede Jahreszeit), die Rohmer alle in den neunziger Jahren gedreht hat. Und Rohmer ist eigentlich einer meiner Lieblingsregisseure, um so erstaunlicher also, dass mir dieser Film nicht eingefallen ist. Vielleicht liegt es daran, dass mir aus dem Jahreszeiten-Zyklus "Sommer" (der Protagonist kann sich nicht zwischen drei Frauen entscheiden) und "Wintermärchen" (die Protagonistin tut sich schwer bei der Wahl zwischen drei Männern) ein ganzes Stück besser gefallen haben als "Frühlingserzählung" (obwohl da eine Protagonistin auch Pianistin ist und Schumann-Musik ertönt).
In Rohmers Filmen manövrieren sich die überwiegend sympathischen Hauptfiguren meist in beziehungstechnisch schwierige Konstellationen und Problemlagen hinein und versuchen sich dort heraus- oder durchzuwuseln. Es geschieht eigentlich gar nicht viel in diesen Filmen, aber es wird unermüdlich viel geredet (vor allem über Liebe natürlich). Alles sehr französisch und alles très chic und wirklich très, très charmant. Alle Rohmer-Filme ähneln sich in vielen Facetten. Gleichzeitig unterscheiden sie sich sehr deutlich von den Filmen nahezu aller anderen Regisseure, die einem einfallen könnten. Sie sind wirklich ganz und gar einzigartig.
Ich vergesse nie den ersten Film von Eric Rohmer, den ich (im Rahmen einer Volkshochschul-Filmreihe mit Rohmer-Filmen) gesehen habe. Der Film hieß "Claires Knie", und es ging wirklich in dem ganzen Film nur darum, dass der Protagonist in den Sommerferien vor seiner Hochzeit eine Frau namens Claire kennenlernt und den drängenden Wunsch entwickelt, einmal das Knie dieser Claire zu berühren. Obwohl der Dozent in seiner Einführung vorher ausführlich den Inhalt des Films erläutert hatte, fragte ich mich lange, während ich das sah: Bin ich im falschen Film? Ist das wirklich wahr, was ich da höre und sehe? Die Freundin, mit der zusammen ich den Film sah, und ich schauten uns mehrmals ungläubig und verblüfft an und lachten. Das war alles sehr strange, aber gleichzeitig auch höchst faszinierend und amüsant. Und es wurde natürlich viel und sehr charmant geredet in diesem Film: über Liebe, Claire und Knie. Wir beide beschlossen, jetzt wöchentlich jeden Film dieser Reihe zu besuchen, und wurden dabei mehr und mehr zu Rohmer-Fans. Bis heute lasse ich kaum eine Gelegenheit aus, einen Rohmer-Film zu sehen.
Genau genommen ist eigentlich jeder Rohmer-Film ein Frühlingsfilm, denn im Kern geht es stets um die verwirrende Schönheit und Vielfalt all der Blüten, die immer wieder von neuem den menschlichen Lebens- und Liebesgeistern entsprießen.
Ein Ziel, wird immer wieder von mir verlangt, ein Ziel sollte ich haben. Mein Gott, muss ich da fragen, wo soll denn das hinführen? Christof Stählin
Ich kehre mal zur Lyrik zurück, das Thema ist noch nicht durch, denn einige Große fehlen ja noch, z.B.
HÖLDERLIN!
Die Sonne glänzt, es blühen die Gefilde, Die Tage kommen blütenreich und milde, Der Abend blüht hinzu, und helle Tage gehen Vom Himmel abwärts, wo die Tag´ entstehen.
Das Jahr erscheint mit seinen Zeiten Wie eine Pracht, wo sich Feste verbreiten, Der Menschen Tätigkeit beginnt mit neuem Ziele, So sind die Zeichen in der Welt, der Wunder viele.
Aixbock
„Da wir nichts tun können als schreiben, so müssen wir tun, was wir können.“ - Christoph Martin Wieland
"Die Frage ist nicht, was wir dürfen. Die Frage ist, was wir mit uns machen lassen“ - Nena, 25.7.2021
Von Theodor zu Theodor. Theodor Storm, kurz und knackig:
Die Kinder
Die Kinder haben die Veilchen gepflückt, all, all, die da blühten am Mühlengraben. Der Lenz ist da; sie wollen ihn fest in ihren kleinen Fäusten haben.
Ein Ziel, wird immer wieder von mir verlangt, ein Ziel sollte ich haben. Mein Gott, muss ich da fragen, wo soll denn das hinführen? Christof Stählin
Zitat von Aixbock im Beitrag #113Aus Düsseldorf!! Ja gibt es denn keinen Kölner Dichter?
Aixbock
Der Harry Heine ist zwar in Düsseldorf geboren, war aber viel in anderen Städten aktiv: in Hamburg, Bonn, Göttingen, Berlin und vor allem Paris, wo er einen großen Teil seines Lebens verbracht hat und bis heute auf dem Cimetière de Montmartre ruht.
Und so startet dann auch ein Beitrag auf der Seite "Düsseldorf entdecken" mit dem schönen Satz: "Heute statten wir Düsseldorfs berühmtestem Sohn einen Besuch ab – und zwar in Paris.": ;) https://www.duesseldorf-entdecken.de/hei...artre-friedhof/
Einen Kölner Dichter gibt es zwar auch, einen ganzen sogar, einen Heinrich sogar, aber Böll statt Heine. Aber der hat nicht viele Gedichte geschrieben. Erst vor vier Jahren (2021) ist unter dem Titel "Ein Jahr hat keine Zeit" ein Band mit Gedichten Bölls herausgekommen: den wenigen, die er selbst zu Lebzeiten schon veröffentlicht hatte (darunter immerhin ein Köln-Zyklus mit den Titeln Köln I, Köln II und Köln III) und einer Reihe von weiteren bis dahin unveröffentlichten Gedichten. Aber über den Frühling ist da vermutlich nichts dabei. Mir würde auch unter den Erzählungen, Kurzgeschichten und Romanen kein Text einfallen, in dem es explizit um den Frühling ginge. Jedenfalls solange ich nicht an die Familie in der Satire "Nicht nur zur Weihnachtszeit" denken müsste, die sich auch vom Frühling nicht abhalten lässt, jeden Tag Weihnachten zu feiern.😉 🎄
Ein Ziel, wird immer wieder von mir verlangt, ein Ziel sollte ich haben. Mein Gott, muss ich da fragen, wo soll denn das hinführen? Christof Stählin
Frühlinglyrik etwas anders. Der große Schiller über einen, dem noch etwas fehlt, den Frühling zu genießen:
Der Jüngling am Bache
An der Quelle saß der Knabe, Blumen wand er sich zum Kranz, und er sah sie fortgerissen, treiben in der Wellen Tanz! »Und so fliehen meine Tage wie die Quelle rastlos hin! Und so schwindet meine Jugend, wie die Kränze schnell verblühn.
Fraget nicht, warum ich traure in des Lebens Blütenzeit! Alles reget sich und hoffet, wenn der Frühling sich erneut. Aber diese tausend Stimmen der erwachenden Natur wecken in dem tiefen Busen mir den schweren Kummer nur.
Was kann mir die Freude frommen, die der schöne Lenz mir beut? Eine nur ist's, die ich suche, sie ist nah und ewig weit. Meine Arme breit ich sehnend nach dem teuren Schattenbild, ach, ich kann es nicht erfassen und das Herz bleibt ungestillt!
Komm herab, du schöne Holde, und verlaß dein stolzes Schloß! Blumen, die der Lenz geboren, schütt ich dir in deinen Schoß. Horch, der Hain erschallt von Liedern, und die Quelle rieselt klar. Raum ist in der kleinsten Hütte für ein glücklich liebend Paar.«
Ein Ziel, wird immer wieder von mir verlangt, ein Ziel sollte ich haben. Mein Gott, muss ich da fragen, wo soll denn das hinführen? Christof Stählin
Zitat von Aixbock im Beitrag #113Aus Düsseldorf!! Ja gibt es denn keinen Kölner Dichter?
Aixbock
Der Harry Heine ist zwar in Düsseldorf geboren, war aber viel in anderen Städten aktiv: in Hamburg, Bonn, Göttingen, Berlin und vor allem Paris, wo er einen großen Teil seines Lebens verbracht hat und bis heute auf dem Cimetière de Montmartre ruht.
Und so startet dann auch ein Beitrag auf der Seite "Düsseldorf entdecken" mit dem schönen Satz: "Heute statten wir Düsseldorfs berühmtestem Sohn einen Besuch ab – und zwar in Paris.": ;) https://www.duesseldorf-entdecken.de/hei...artre-friedhof/
Einen Kölner Dichter gibt es zwar auch, einen ganzen sogar, einen Heinrich sogar, aber Böll statt Heine. Aber der hat nicht viele Gedichte geschrieben. Erst vor vier Jahren (2021) ist unter dem Titel "Ein Jahr hat keine Zeit" ein Band mit Gedichten Bölls herausgekommen: den wenigen, die er selbst zu Lebzeiten schon veröffentlicht hatte (darunter immerhin ein Köln-Zyklus mit den Titeln Köln I, Köln II und Köln III) und einer Reihe von weiteren bis dahin unveröffentlichten Gedichten. Aber über den Frühling ist da vermutlich nichts dabei. Mir würde auch unter den Erzählungen, Kurzgeschichten und Romanen kein Text einfallen, in dem es explizit um den Frühling ginge. Jedenfalls solange ich nicht an die Familie in der Satire "Nicht nur zur Weihnachtszeit" denken müsste, die sich auch vom Frühling nicht abhalten lässt, jeden Tag Weihnachten zu feiern.😉 🎄
Einen Düsseldorfer besucht man nicht in Düsseldorf, sondern in Paris (Heine), Frankfurt (Habermas) oder Marburg (Natorp), das ist offenbar stets so und hat schon seine Merkwürdigkeit.
Böll natürlich - Karolingerring 17 -, aber Gedichte, zumal zum Frühling, waren mir von ihm nicht geläufig, und Therstappen hatte sicher niemand auf dem Zettel.
Aber Schiller, das ist natürlich wirklich ein Großer, gerade wenn er spielt.
Nächstens mehr...
Aixbock
„Da wir nichts tun können als schreiben, so müssen wir tun, was wir können.“ - Christoph Martin Wieland
"Die Frage ist nicht, was wir dürfen. Die Frage ist, was wir mit uns machen lassen“ - Nena, 25.7.2021
Es wäre doch schade, wenn der österliche Anlass hier keinen Niederschlag fände, und am besten nicht nur mit dem Häschen in der Grube. Hier kommt ein Stück aus Fausts Osterspaziergang (hoffentlich auch ein gutes Omen für unser heutiges möglichst österliches Spiel):
Vom Eise befreit sind Strom und Bäche durch des Frühlings holden, belebenden Blick. Im Tale grünet Hoffnungsglück. Der alte Winter in seiner Schwäche zog sich in rauhe Berge zurück. Von dorther sendet er, fliehend, nur ohnmächtige Schauer körnigen Eises in Streifen über die grünende Flur. Aber die Sonne duldet kein Weisses. Überall regt sich Bildung und Streben, alles will sie mit Farbe beleben. Doch an Blumen fehlts im Revier. Sie nimmt geputzte Menschen dafür. Kehre dich um, von diesen Höhen nach der Stadt zurückzusehen! Aus dem hohlen, finstern Tor dringt ein buntes Gewimmel hervor.
Jeder sonnt sich heute so gern. Sie feiern die Auferstehung des Herrn, denn sie sind selber auferstanden. Aus niedriger Häuser dumpfen Gemächern, aus Handwerks- und Gewerbesbanden, aus dem Druck von Giebeln und Dächern, aus der Strassen quetschender Enge, aus der Kirchen ehrwürdiger Nacht sind sie alle ans Licht gebracht.
Sieh nur, sieh, wie behend sich die Menge durch die Gärten und Felder zerschlägt, wie der Fluss in Breit und Länge so manchen lustigen Nachen bewegt, und, bis zum Sinken überladen, entfernt sich dieser letzte Kahn. Selbst von des Berges ferner Pfaden blinken uns farbige Kleider an. Ich höre schon des Dorfs Getümmel. Hier ist des Volkes wahrer Himmel. Zufrieden jauchzet gross und klein: Hier bin ich Mensch, hier darf ichs sein!
Ein Ziel, wird immer wieder von mir verlangt, ein Ziel sollte ich haben. Mein Gott, muss ich da fragen, wo soll denn das hinführen? Christof Stählin