Als Zeus Europen lieb gewann, Nahm er, die Schöne zu besiegen, Verschiedene Gestalten an, Verschieden ihr verschiedlich anzuliegen. Als Gott zuerst erschien er ihr; Dann als ein Mann, und endlich als ein Tier. Umsonst legt er, als Gott, den Himmel ihr zu Füßen: Stolz fliehet sie vor seinen Küssen. Umsonst fleht er, als Mann, in schmeichelhaftem Ton: Verachtung war der Liebe Lohn. Zuletzt – mein schön Geschlecht, gesagt zu deinen Ehren! – Ließ sie – von wem? – vom Bullen sich betören.
G.E. Lessing
„Da wir nichts tun können als schreiben, so müssen wir tun, was wir können.“ - Christoph Martin Wieland
"Die Frage ist nicht, was wir dürfen. Die Frage ist, was wir mit uns machen lassen“ - Nena, 25.7.2021
Sein erstes Gedicht soll Robert Gernhardt noch in der Schule über seinen Lateinlehrer geschrieben und damit Mitschüler und Lehrer erfreut haben:
Er ist wie Crassus sehr gerissen und so beredt wie Cicero. Gleich Maecen ist er kunstbeflissen, ein Wüstenfuchs gleich Scipio. Sallust, ihm gleicht er als Erzähler. Wie Seneca sucht er das Wahre. Er hat wie Cato keine Fehler und so wie Caesar keine Haare.
Ein Ziel, wird immer wieder von mir verlangt, ein Ziel sollte ich haben. Mein Gott, muss ich da fragen, wo soll denn das hinführen? Christof Stählin
Passend zum 1. Mai F.W. Bernsteins "Weltmacht Wachtel":
Schaut euch nur die Wachtel an! Trippelt aus dem dunklen Tann; tut grad so, als sei sie wer. Wachtel Wachtel täuscht sich sehr. Wär sie hunderttausend Russen, hätt den Vatikan zerschussen und vom Papst befreit - ja dann: Wachtel Wachtel Dschingis-Khan! Doch die Wachtel ist nur friedlich, rundlich und unendlich niedlich; sie erweckt nur Sympathie. Weltmacht Wachtel wird sie nie!
Schön 😁 Wenn wir schon bei der "Neuen Frankfurter Schule" sind, hier mal was von Hans Traxler: "Freud in der Krise". Über pflanzliche Triebe und menschliche Triebe lässt sich da ja auch irgendwie ein Bezug zum Frühling konstruieren...;)
Zum Text gehören eigentlich auch ein paar kleine Bildchen, die lassen sich hier natürlich nicht so gut wiedergeben. Hier also nur die Worte:
Keiner weiß, wie es geschehn is – Sigmund Freud sucht seinen Penis. Nein, nicht den Penis, das SYMBOL! Da hilft kein Schnaps, kein Alkohol Er sucht im Haus, in allen Ecken, denn irgendwo muss es ja stecken! Gestern war es doch noch da - Da ruft Frau Freud: "Da ist es ja!"
(hier zeigte das Bild, wie Frau Freud ihrem Gatten eine etwas überdimensionale Zigarre reicht)
Auch Feuer gibt sie ihrem Freud und alles ohne Penisneid!
🔥
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Ich bin leider etwas spät, denn es ist ein weiterer literarischer Jubilar zu vermelden, der gestern seinen 100. Geburtstag hätte feiern können. Es hatte sich schon seit einigen Tagen angedeutet durch vermehrte Ankündigungen von Galas und Hommage-Abenden (an dem sich in München sogar Erzbischof Reinhard Marx aktiv beteiligen wollte, dann aber konklavebedingt kurzfristig absagen musste) sowie die vielen Schlagzeilen und Titel von Zeitschriften und Fernsehsendern, kleine Auswahl: "Hommage an den Kabarett-Humanisten" (SZ), "Der Philosoph der Heiterkeit" (NZZ), "Der Poet unter den Kabarettisten" (SWR) ... und, am schönsten: "Der Moerser, der den Niederrheiner erfand" (NRZ).
Nun hat es auch lange vor Hanns Dieter Hüsch schon Niederrheiner gegeben, aber niemand hatte wohl so genau hingehört, so beherzt wiedergegeben und so "dem Niederrheiner" eine enorme mentale Präsenz im kollektiven Gedächtnis verschafft. Man hört manche seiner Stücke und denkt: Das hast du genau so doch auch schon erlebt. Wenn man wie ich am Niederrhein aufgewachsen ist, dann kommt man an Hüsch gar nicht vorbei, wird immer mal wieder auf ihn gestoßen, und wenn es nur ist, weil aktuelle Kabarettisten erklären, wie und warum er ihr Vorbild geworden ist. "Kabarett ohne den Einfluss von Hüsch? Unvorstellbar!", hat Max Moor einmal gesagt. Hüsch selbst soll die Frage "Wie wird man eigentlich Kabarettist?" einmal so beantwortet haben: "Man muss nur am Niederrhein aufgewachsen worden sein". Hüsch wäre demnach ohne Niederrhein kein Kabarettist geworden, manche andere Kabarettisten nicht ohne Hüsch.
Hüsch ist leider schon 2005 gestorben, aber man kann viele seiner Werke in gedruckter Form nachlesen oder auf DVD, Tonträgern oder auf YouTube sehen und hören. Aber das ist vermutlich nur ein kleiner Ausschnitt, denn Hüsch soll in seinem Leben ganze 70 Bühnenprogramme entwickelt haben (meine kleine DVD-Box enthält davon gerade mal 7)
Hüsch hat viele Themen, aber natürlich spielt der Niederrhein in seinem Werk immer eine ganz besondere Rolle. Hier nur mal zwei Beispiele. Über "Kraut und Rüben" kann ich trotz häufigen Hörens immer noch lachen. Da erzählt er eine geschlagene Viertelstunde eigentlich nur über's Essen: was er alles gerne isst und was nicht so gerne. Kann man mal machen ;)
Ach, ja: Sollte zufällig der Erzbischof von München und Freising zum Papst gewählt werden, dann könnte er ja, wie die SZ anregte, immer noch nachholen, was er am Montagabend in München noch versäumen musste, und dann eben statt auf der Bühne der Lach- und Schießgesellschaft auf dem Petersplatz Hüsch rezitieren.
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Damit jetzt keiner denkt "der Hüsch macht immer nur in Niederrhein", hier mal zwei ganz andere Beispiele:
Aus der Welt der Sagen, Märchen und Legenden: Da gibt es die alte Geschichte von den "Bäckern von Beumelburg", die über die Geschehnisse berichtet, als "seine Bewusstlosigkeit, der Herzog von Braunschweig, in der bekannten Herrgottsfrühe vor Beumelburg lag und...". Kennt ihr nicht? Ist so ähnlich wie die Geschichten der Kinder von Dinkelsbühl, der Schuster von Augsburg oder der Spinner von Heidelberg. Was das alles miteinander zu tun hat? Hüsch hilft weiter. Einfach köstlich:
Das andere Beispiel sind die weisen bis skurilen Geschichten über einen gewissen Hagenbuch, von denen es eine ganze Menge gibt und die alle mit dem gleichen Halbsatz beginnen: "Hagenbuch hat jetzt zugegeben, dass..." Fangen alle ganz harmlos an und werden dann immer wilder. Weil wir ja ein Sportforum sind, habe ich mal die Geschichte "Hagenbuch und die Leibeserziehung" ausgewählt:
Was würde Hanns Dieter Hüsch wohl zum Leben in unserer mittlerweile extremst polarisierten Gesellschaft sagen? fragte ich mich, hielt aber auch die Chance, dazu etwas zu finden, für minimal. Denn erstens ist er seit zwanzig Jahren tot und tempora mutantur... Und zweitens hat er sich, wenigstens soweit ich weiß, nie öffentlich mit Tagespolitik beschäftigt und unterscheidet sich fundamental von heutigen Kabamedians, die nie müde werden, in Endlosschleife die immergleichen selbst geschaffenen flachen Klischees über ihre "Lieblingspolitiker" abzuspielen und so selbst die Polarisierung immer weiter ankurbeln. Politisch ist er schon, der Hüsch, aber eher grundsätzlich und nicht so an der Oberfläche des Tagesgeschehens. Also doch etwas zu finden? Das "Lied vom runden Tisch", das ich dann fand, ist vermutlich schon Jahrzehnte alt, könnte aber heute kaum aktueller sein.
Niederrhein? Gern. Als Nachtlektüre könnte man etwa empfehlen: Georg Forster: Ansichten vom Niederrhein, das erschien schon 1791-1794, ist ein Klassiker und enthält selbstverständlich auch ein Kapitel über Köln, das ja schließlich auch nicht am Mittelrhein/im Mittelgebirge liegt.
Wem das nicht reicht, der kann sich mit Mutter Johanna Schopenhauers "Ausflug an den Niederrhein und nach Belgien" vergnügen. Auch hier finden wir Ausführungen über Köln, nun im frühen 19. Jahrhundert.
Es muß ja nicht immer Moers sein.
Zu Hüschs Büchern hat übrigens Hein Driessen (lebt noch, stammt aus Emmerich) typisch niederrheinische Landschaften beigesteuert. Aber einen Thread für bildende Kunst haben wir ja hier nicht, er müßte erst eingeführt werden.
Aixbock
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"Die Frage ist nicht, was wir dürfen. Die Frage ist, was wir mit uns machen lassen“ - Nena, 25.7.2021
Es braucht keinen besonderen Anlass, um in diesem Thread zu posten. Alles ist zu jeder Zeit möglich, sogar Wintergedichte im Hochsommer oder Autoren, die gerade weit von einem "runden" Jubiläum entfernt sind. Manchmal macht es aber auch Spaß, vorhandene Anlässe zu nutzen, um sich dadurch angeregt mit bestimmten Autoren etwas zu beschäftigen. So wie zuletzt anlässlich des 100. Geburtstags von Hanns Dieter Hüsch.
Die aktuelle Literaturempfehlung hat auch einen Anlass, genau genommen: nicht einen, sondern gleich drei. 🦔 Der erste Anlass ist das Konklave und die Wahl eines neuen Papstes in Rom, der zweite der im nächsten Monat anstehende 150. Geburtstag von Thomas Mann. Der dritte Anlass ist etwas elastisch zu handhaben, wie Struber sagen würde: Denn das Buch, um das es gehen soll, ist offiziell 1951 erschienen, aber nach Angaben von Thomas Mann am 26. Oktober 1950 fertiggestellt worden, würde demnach in diesem Jahr seinen 75. Geburtstag feiern. 🪄 Es geht also um den Größten, den Zauberer. Bei Thomas Mann fallen einem natürlich schnell die Buddenbrooks ein, der Zauberberg oder der Doktor Faustus. Sehr bekannt ist der Felix Krull, vielleicht auch durch die drei Verfilmungen. "Der Erwählte" läuft dagegen eher etwas unter dem Radar. Dabei hat wirklich jeder etwas verpasst, der ihn nicht zu seiner Lektüre erwählt.
Der Erwählte (englische Ausgabe: "The holy sinner") ist Thomas Manns Version des mittelhochdeutschen Versepos "Gregorius" des Hartmann von Aue aus dem 12. Jahrhundert, das wieder auf eine noch ältere französische Legende zurückgreift.
Das Erzählte in Der Erwählte: Der "Geist der Erzählung" begegnet uns in Gestalt eines irischen Mönchs, der aus dem Leben des Gregorius berichtet. Gezeugt wurde dieser Gregorius von einem hübschen herzoglichen Geschwisterpärchen, das einfach nicht voneinander lassen konnte. Sein Vater stirbt bei einem zur Läuterung für den Inzest angetretenen Kreuzzug, Gregorius selbst wird nach der Geburt in einem Fass auf einem Kahn im Ärmelkanal ausgesetzt, wächst bei einer Fischerfamilie auf und erfährt erst 17 Jahre später von seiner Herkunft und vom Grund für sein "Exil". Er flieht und landet in Brügge, wo ein wilder Freier die dortige Herzogin bedrängt und das Land belagert. Der jugendliche Held befreit Land und Herzogin, und diese nimmt dann den Befreier vom Freier zum Mann. Ihr ahnt schon, was Held und Herzogin nicht wissen konnten: Die Herzogin ist seine Mutter, und auch dieser zweite Inzest bringt Kinder zur Welt. Zur Buße dankt die Herzogin ab und widmet ihr Leben fürderhin der Pflege der Armen und Kranken. Und unser katholischer Ödipus beschließt, zur Buße ab nun allein als Eremit zu leben. Allein in der Ödnis trifft man nicht nur angenehme Zeitgenossen, und so wird er von einem genervten Fischer an einen Felsen inmitten eines Sees festgekettet und dort allein zurückgelassen. Dies wäre normalerweise sein sicherer Tod gewesen, aber die göttliche Gnade ist bekanntlich unerschöpflich und so überlebt er, weil er am Felsen eine Mulde entdeckt, in der sich täglich eine Flüssigkeit ansammelt, von der er sich wenigstens halbwegs ernähren kann. Er verbringt weitere siebzehn Jahre auf diesem Felsen, verhutzelt und verschrumpelt dabei aber immer mehr und hat sich irgendwann vom Menschen in eine Art Murmeltier verwandelt. Ihr fragt euch wahrscheinlich längst, was das alles mit Konklave und Papstwahl zu tun haben soll? Während der langen Murmeltierzeit des Gregorius hat sich in Rom nach dem Tod des Papstes ein erbitterter Krieg verfeindeter Lager um die Nachfolge entwickelt. Schließlich haben zwei einflussreiche Römer eine Vision, in der ein Opferlamm ihnen genau erklärt, wo im fernen Flandern sie auf einem Felsen in einem See den Büßer Gregorius finden werden, der der neue Papst werden solle. Die beiden, ein Laie und ein Geistlicher, machen sich auf den weiten Weg gen Norden, finden die Stelle auch, wundern sich aber über das absonderliche Wesen, das sie dort vorfinden und das seltsamerweise sprechen kann, sogar Lateinisch. Sie hadern, zweifeln, debattieren, weil man so ein "borstiges Tier" ja wohl kaum zum Papst machen könne. Am Ende verwandelt sich auf dem gemeinsamen Weg nach Rom Gregorius in seine Menschengestalt zurück, wird in Rom zum Papst gekrönt und verhilft der Kirche in seiner Amtszeit zu einer neuen Glanzzeit.
Diese kleine Skizze mag wenigstens grob vermitteln, um was es im Erwählten geht. Was sie nicht kann: auch nur ansatzweise "herüberzubringen", was - außer der kuriosen Handlung selbst - den unnachahmlichen Reiz dieses Romans ausmacht: nämlich seine Erzählweise, sein Stil und sprachliche Gestaltung. Thomas Mann wollte eigentlich nur eine kleine Novelle verfassen. Dann aber hat er sich von seiner Sprachlust und seinen Wortschöpfungskünsten dazu hinreißen lassen, immer mehr zu schreiben, bis aus der kleinen Novelle schließlich ein ganzer Roman wurde. Längst nicht so umfangreich wie die anderen Romane Manns (der Felix Krull ist ja unvollendet geblieben), dieses ganze Büchlein hat weniger als 300 Seiten. Aber: Da sitzt wirklich jeder Satz. Da ist überhaupt nichts überflüssig, lang und breit oder trocken. Jeder einzelne Satz macht einem klar, warum sie Mann "den Zauberer" genannt haben. Man merkt dem Autor den Spaß an, den tieferen Schichten seiner Geschichte nachzuspüren, die er mit viel Humor und einer durchgehend liebevoll ironischen Haltung erzählt. Die Wahl der Worte, der Metaphern und Vergleiche, der Umschreibungen von Vorgängen und Personeigenheiten ist grandios, um nicht zu sagen: geradezu göttlich, was ja angesichts des Sujets durchaus angemessen wäre. Man sitzt und liest und muss ständig still in sich hinein schmunzeln, möchte manchmal am liebsten laut jubilieren angesichts von Manns Einfällen. Wenn ich nur an die Sprachbilder bei den diversen Beischlaf-Konstellationen denke... einfach köstlich! Leider habe ich das Büchlein gerade nicht griffbereit, sonst würde ich das mit ein paar Zitaten veranschaulichen. Es ist sicher nicht übertrieben zu sagen: Dies gehört zum Erheiterndsten, was mir je unter die lesenden Augen gekommen ist. Oder enger am Thema: Es ist wirklich eine Gnade, dieses Buch erleben zu dürfen.
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Ein Thomas-Mann-Fan! Na sowas, aber das ist gar nicht so selten. Ich kenne mehrere. "Der Erwählte" habe ich noch nicht gelesen, zu meinen Highlights zählt "Doktor Faustus" mit dem irren Protagonisten, der ernsthaft versucht, die 9. Symphonie "zurückzunehmen", und dem schönen, inhaltlich hauptsächlich von Adorno übermittelten Kapitel über eine Aufführung von Beethovens 32. Klaviersonate: "Wie-sen-grund", wunderbar beschrieben. Achja, und der Mäusebaron kommt auch vor, der hatte es mir ebenfalls angetan. Geheimtip und anderes Highlight ist aber "Lotte in Weimar", dazu muß man nichts mehr schreiben. Reich-Ranicki war Goethe in Thomas Manns "Lotte" die liebste literarische Figur von allen, die er kannte, und das sind bekanntlich einige.
Jetzt also "Der Erwählte"! Ich weiß indes noch nicht, wann ich das schaffe.....
Aixbock
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"Die Frage ist nicht, was wir dürfen. Die Frage ist, was wir mit uns machen lassen“ - Nena, 25.7.2021
Vorher sollte es vielleicht noch der Gregorius sein? Ich kenne von Hartmann nur den armen Heinrich und Erec. Aber ich merke: so ufert es aus...und so ist es immer....man kommt nicht ans Ziel, weil sich immer wieder etwas dazwischenschiebt.... und am Ende stirbt man, obwohl noch so viel zu lesen wäre....das wiederum erinnert mich an eine Stelle bei Erasmus von Rotterdam....wo steht es auch wieder.....nichts findet man auf Anhieb.....ah, hier, in seinen Colloquia familiaria..... und zwar in dem Gespräch des Abts mit der gelehrten Frau....da heißt es: "Immensis laboribus comparatur eruditio, ac post moriendum est", was Werner Welzig übersetzt: "Da erwirbt man mit großer Mühe Gelehrsamkeit, und nachher muß man sterben".... und schon wieder verzettelt....
....Aixbock
„Da wir nichts tun können als schreiben, so müssen wir tun, was wir können.“ - Christoph Martin Wieland
"Die Frage ist nicht, was wir dürfen. Die Frage ist, was wir mit uns machen lassen“ - Nena, 25.7.2021
Ja, das ewige Dilemma: Es gibt viel mehr gute Dinge zu lesen, zu hören und zu sehen, als man jemals schaffen könnte. Um so glücklicher dürfen wir sein über all das Schöne und Gute, das wir schon kennenlernen durften. Thomas Mann gehört natürlich dazu. Ja, bin schon sehr stark Thomas-Mann-Fan. Wir mussten, eigentlich: durften schon in der Schule einiges von Thomas Mann lesen (Herr und Hund, Königliche Hoheit, Tonio Kröger). Nach der Schule habe ich dann alles von ihm verschlungen, was ich in die Finger bekommen konnte. Habe es aber bis heute immer noch nicht geschafft, alle Josephs-Romane und am Stück zu lesen. Aber lange Vorfreude ist ja auch was Schönes...
Ein Ziel, wird immer wieder von mir verlangt, ein Ziel sollte ich haben. Mein Gott, muss ich da fragen, wo soll denn das hinführen? Christof Stählin
Tötendes Leben Gaukele hin! Träume nur heben, Lähmen den Sinn. Freuden und Schmerzen, Glücke das quält! - Und unserem Herzen Immer was fehlt.
Ich fand das in meiner Lenz-Ausgabe, und da es kurz ist (wie das Leben des Autors), läßt sich damit hier schnell an den Dichter erinnern, der sich einst in Straßburg mit Goethe die Zeit vertrieb. Genau das Richtig also für die Sommerpause....
Aixbock
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Von Lenz, der sich einst in Straßburg mit Goethe die Zeit vertrieb, zu Schiller, mit dem sich Goethe einst in Weimar die Zeit vertrieb, sogar noch nach dessen Tod.
Aix hat kürzlich im "Alle Jläser huh"-Thread schon auf das schreckliche Schicksal von Schillers Schädel und Skelett hingewiesen. Das schreit nun förmlich nach einem Eintrag auch in diesem Thread. Denn Goethe hat Schillers Schädel zu einem Gedicht angetrieben:
Schiller war nach seinem Tod im Jahre 1804 im "Kassengewölbe" auf dem Weimarer Jacobsfriedhof beigesetzt worden. Als man 1825/26 meinte, dass das Gewölbe "zusammengeräumt" werden müsste, weil kein Sarg mehr hineingestellt werden konnte, versuchte man auch Schillers sterbliche Überreste zu identifizieren. Unter 23 Schädeln glaubte man nach Vermessungen und Vergleichen mit der Totenmaske den größten und regelmäßigsten von ihnen als Schillers Schädel erkennen zu können und stellte ihn zunächst in der Anna-Amalia-Bibliothek auf. Moderne Psychologen würden wohl sagen, dass die damaligen Experten dem mentalen Schema und Trugschluss aufsaßen, dass der große Dichter wohl auch den größten und regelmäßigsten Schädel gehabt haben müsse. Zweifel gab es später oft, aber seit 2008 weiß man dank moderner DNA-Analysen, dass weder dieser Schädel noch andere später in der Weimarer Fürstengruft untergebrachten Gebeine wirklich Schillers waren.
Goethe fochten solche Zweifel aber nicht an. Er ließ sich den zunächst in der Bibliothek aufgestellten Schädel nach Hause liefern und bewahrte ihn dort auf blauem Samt unter einer großen Glasglocke in seinem Studierzimmer auf. So konnte er seinen alten Kollegen ausgiebig betrachten und schrieb schon am übernächsten Tag seine Gedanken dazu in diesem Gedicht nieder:
Bei Betrachtung von Schillers Schädel (von Johann Wolfgang von Goethe)
Im ernsten Beinhaus wars, wo ich beschaute, Wie Schädel Schädeln angeordnet paßten; Die alte Zeit gedacht ich, die ergraute.
Sie stehn in Reih geklemmt, die sonst sich haßten, Und derbe Knochen, die sich tödlich schlugen, Sie liegen kreuzweis, zahm allhier zu rasten.
Entrenkte Schulterblätter! was sie trugen, Fragt niemand mehr, und zierlich tätge Glieder, Die Hand, der Fuß, zerstreut aus Lebensfugen.
Ihr Müden also lagt vergebens nieder, Nicht Ruh im Grabe ließ man euch, vertrieben Seid ihr herauf zum lichten Tage wieder,
Und niemand kann die dürre Schale lieben, Welch herrlich edlen Kern sie auch bewahrte, Doch mir Adepten war die Schrift geschrieben,
Die heilgen Sinn nicht jedem offenbarte, Als ich inmitten solcher starren Menge Unschätzbar herrlich ein Gebild gewahrte,
Daß in des Raumes Moderkält und Enge Ich frei und wärmefühlend mich erquickte, Als ob ein Lebensquell dem Tod entspränge,
Wie mich geheimnisvoll die Form entzückte! Die gottgedachte Spur, die sich erhalten! Ein Blick, der mich an jenes Meer entrückte,
Das flutend strömt gesteigerte Gestalten. Geheim Gefäß! Orakelsprüche spendend, Wie bin ich wert, dich in der Hand zu halten?
Dich höchsten Schatz aus Moder fromm entwendend Und in die freie Luft, zu freiem Sinnen, Zum Sonnenlicht andächtig hin mich wendend.
Was kann der Mensch im Leben mehr gewinnen, Als daß sich Gott-Natur ihm offenbare? Wie sie das Feste läßt zu Geist verrinnen, Wie sie das Geisterzeugte fest bewahre.
Mehr dazu:
24. September 1826: Goethe erhält Schillers Schädel:
À propos "Ragnarök" ("Edda"): Hier geht's ja nicht nur um die "Götterdämmerung", sondern auch um die Auferstehung einer neuen Welt. Von daher wäre es mir lieber den guten Ragnar als Beginn eines neuen Zeitalters für uns zu deuten als einem Wiedererstarken der Konkurrenz nach Untergang (so er denn überhaupt mit unsrem vergleichbar sein sollte) 🤪
"Es ist vielmehr so, dass die Welt für den Menschen nur in der Vorstellung existiert und dass diese Vorstellung gefährlich ist. Was ihm auf dem Weg hilft, das kann ihn genauso gut blenden, sodass er den richtigen Weg verfehlt. Der Schlüssel zum Himmel passt auch zur Pforte der Hölle." (sagte der Blinde zum Sepulturero/Grabräuber)
Zitat von Rubio im Beitrag #143À propos "Ragnarök" ("Edda"): Hier geht's ja nicht nur um die "Götterdämmerung", sondern auch umAlso die Auferstehung einer neuen Welt. Von daher wäre es mir lieber den guten Ragnar als Beginn eines neuen Zeitalters für uns zu deuten als einem Wiedererstarken der Konkurrenz nach Untergang (so er denn überhaupt mit unsrem vergleichbar sein sollte) 🤪
Wir werden ja jetzt den isländischen Deuter des Ganzen gleich dazuverpflichten. Das Isländische ist eine sehr konservative Sprache; und mit dem Altwestnordischen der Edda soll man angeblich noch heute eine isländische Zeitung lesen können.
Also unser Isländer liest:
Geyr nú Garmr mjök fyr Gnipahelli, festr mun slitna en freki renna; fjölð veit ek fræða, fram sé ek lengra um ragna rök römm sigtíva.
Das ist die 49. Strophe der "Völuspá", des ersten Liedes der Edda, das Weissagungen einer Seherin schildert (deutlich sichtbar übrigens der wunderbare Stabreim, der sich im Neuhochdeutschen nicht 1:1 wiedergeben läßt). Arthur Häny übersetzt:
Laut heult der Wolf vor Gnipahellir; es reißt die Fessel, es rennt der Wolf; weit ist mein Wissen, weithin erkenn ich der siegreichen Götter schlimmes Geschick.
Das schlimme Göttergeschick ist hier ihr Untergang ragnar sind die Götter, rök ihr Schicksal. Das wird Strophe 44 bis 66 erzählt. Ich hoffe nur, unser neuer Stürmer bekommt das nicht in den falschen Hals und setze eben da auf den Isländer als Übersetzer und Ausleger. Perfekt.
Aixbock
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"Die Frage ist nicht, was wir dürfen. Die Frage ist, was wir mit uns machen lassen“ - Nena, 25.7.2021
Wir hatten hier vor Wochen zahlreiche Frühlingsgesänge. Aber der Frühling ist noch nicht vorbei. Nach allerlei Moder, Gruft und Schädelknochen zuletzt wäre es mal wieder Zeit für wärmere und lebensfrohere Töne.
Wäre doch gelacht, dachte ich, wenn es da von Johann Christian Günther nicht ein paar schöne Frühlingsgedichte gäbe. Und suchte vergebens. Das einzige, das ich fand, hat zwar auch den Frühling in sich, aber eigentlich geht es um das Lob des Winters.
Seit Jahren werden wir mit flotten Schlagworten zur Umdeutung alter Gewissheiten überflutet, so wie "50 ist das neue 30", "Kreta ist das neue Malle", "Nein ist das neue Ja", "Sitzen ist das neue Rauchen" oder "Gemüse ist das neue Fleisch". Soll klingen wie der letzte Schrei. Aber sowas hatte Johann Christian Günther Anfang des 18. Jahrhunderts auch schon im Repertoire: "Der Winter soll mein Frühling sein". Wirklich wunderschön:
Lob des Winters (Johann Christian Günther)
Verzeiht, ihr warmen Frühlingstage, Ihr seid zwar schön, doch nicht vor mich. Der Sommer macht mir heiße Plage, Die Herbstluft ist veränderlich; Drum stimmt die Liebe mit mir ein: Der Winter soll mein Frühling sein.
Der Winter zeigt an seinen Gaben Die Schätze gütiger Natur, Er kann mit Most und Äpfeln laben, Er stärkt den Leib und hilft der Kur, Er bricht die Raserei der Pest Und dient zu Amors Jubelfest.
Der Knaster schmeckt bei kaltem Wetter Noch halb so kräftig und so rein, Die Jagd ergötzt der Erden Götter Und bringt im Schnee mehr Vorteil ein, Der freien Künste Ruhm und Preis Erhebt sich durch den Winterfleiß.
Die Zärtlichkeit der süßen Liebe Erwählt vor andern diese Zeit; Der Zunder innerlicher Triebe Verlacht des Frostes Grausamkeit Das Morgenrot bricht später an, Damit man länger küssen kann.
Der Schönen in den Armen liegen, Wenn draußen Nord und Regen pfeift, Macht so ein inniglich Vergnügen, Dergleichen niemand recht begreift, Er habe denn mit mir gefühlt, Wie sanfte sich's im Finstern spielt.
Da ringen die getreuen Armen Mit Eintracht und Ergötzligkeit, Da lassen sie den Pfiehl erwarmen, Den oft ein falsches Dach beschneit, Da streiten sie mit Kuss und Biss Und wünschen lange Finsternüß.
Das Eis beweist den Hoffnungsspiegel, Der viel entwirft und leicht zerfällt; Ich küsse den gefrornen Riegel, Der mir Amanden vorenthält, So oft mein Spiel ein Ständchen bringt Und Sait' und Flöte schärfer klingt.
Ich zieh den Mond- und Sternenschimmer Dem angenehmsten Tage vor; Da heb ich oft aus meinem Zimmer Haupt, Augen, Herz und Geist empor, Da findet mein Verwundern kaum In diesem weiten Raume Raum.
Euch Brüder hätt ich bald vergessen, Euch, die ihr nebst der deutschen Treu Mit mir viel Nächte durch gesessen; Sagt, ob wo etwas Bessres sei, Als hier bei Pfeifen und Kamin Die Welt mitsamt den Grillen fliehn.
Der Winter bleibt der Kern vom Jahre, Im Winter bin ich munter dran, Der Winter ist ein Bild der Bahre Und lehrt mich leben, weil ich kann; Ihr Spötter redet mir nicht ein; Der Winter soll mein Frühling sein.
Ein Ziel, wird immer wieder von mir verlangt, ein Ziel sollte ich haben. Mein Gott, muss ich da fragen, wo soll denn das hinführen? Christof Stählin
Der Winter bleibt der Kern vom Jahre, Im Winter bin ich munter dran, Der Winter ist ein Bild der Bahre Und lehrt mich leben, weil ich kann
Ein Bild der Bahre! Ja, denn ebenso wie Lenz hatte es auch Günther nicht weit von der Wiege bis zur Bahre. Nicht mal 28 ist er geworden. Was hätten die beiden wohl noch hervorgebracht! Doch "die Bahre ist die Wiege des Himmels", heißt es einmal bei Jean Paul, und dort oben werden sie wohl weiter gesungen haben. Vorerst bin ich noch nicht neugierig, es mir anzuhören. Irgendwann ist doch die Zeit....
Aixbock
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"Die Frage ist nicht, was wir dürfen. Die Frage ist, was wir mit uns machen lassen“ - Nena, 25.7.2021
Zitat von Aixbock im Beitrag #147Der Winter bleibt der Kern vom Jahre, Im Winter bin ich munter dran, Der Winter ist ein Bild der Bahre Und lehrt mich leben, weil ich kann
Ein Bild der Bahre! Ja, denn ebenso wie Lenz hatte es auch Günther nicht weit von der Wiege bis zur Bahre. Nicht mal 28 ist er geworden. Was hätten die beiden wohl noch hervorgebracht! Doch "die Bahre ist die Wiege des Himmels", heißt es einmal bei Jean Paul, und dort oben werden sie wohl weiter gesungen haben. Vorerst bin ich noch nicht neugierig, es mir anzuhören. Irgendwann ist doch die Zeit....
Aixbock
Ja, man könnte fast sagen, dass Johann Christian Günther ein ganz früher Vertreter des berühmten "Club 27" gewesen sei. 1695 in Striegau (Schlesien) geboren, hat er in Frankfurt/Oder, Wittenberg und Leipzig studiert, war rastlos zwischen Schlesien und Thüringen unterwegs, ohne dauerhaft irgendwo Wurzeln zu schlagen und ist schließlich nur wenige Wochen vor seinem 28. Geburtstag in Jena gestorben, wo er auch begraben ist. Um so erstaunlicher, dass er in der kurzen Zeit seines Schaffens an die 600 Gedichte geschrieben haben soll.
Sein Ruhm setzte erst nach seinem Tod ein, und noch heute ist er nicht überall so bekannt, wie es seiner Bedeutung eigentlich angemessen wäre. Viele sehen in ihm den größten deutschen Dichter zwischen Barock und Aufklärung, die Encyclopaedia Britannica nennt ihn gar "one of the most important German lyric poet of the period between the Middle Ages and the early Goethe". Dass das teilweise wenig bekannt ist, liegt weniger an seiner Dichtung als an seinem Leben, das nicht gerade als Prototyp für ein "erfolgreiches Leben" herhalten kann.
Günther war vom Schicksal gleichzeitig begünstigt und gebeutelt. Begünstigt durch sein Talent, seinen Einfallsreichtum, seine sprachliche Leichtigkeit und seine Schöpfungskraft. Gebeutelt durch Probleme und die Lebenskämpfe, die er zu bestreiten hatte: mit seinem Vater, der mit ihm gebrochen hatte (weil er Dichter und nicht Arzt werden wollte), mit der Wankelmütigkeit seiner Frauen, mit dem Alkohol, und mit den Schwierigkeiten, sich eine "bürgerliche Existenz" aufzubauen. Als er zum Poeta laureatus Caesareus gekürt wurde, fehlte ihm das Geld für die Feierlichkeiten, die er auszurichten hatte, und so häufte er auch noch Schulden an.
Zu seinem heutigen Bild hat auch Goethe beigetragen, der in "Dichtung und Wahrheit" über ihn schrieb:
"Hier gedenken wir nur Günthers, der ein Poet im vollen Sinne des Worts genannt werden darf. Ein entschiedenes Tallent, begabt mit Sinnlichkeit, Einbildungskraft, Gedächtnis, Gabe des Fassens und Vergegenwärtigens, fruchtbar im höchsten Grade, rhythmisch bequem, geistreich, witzig und dabei vielfach unterrichtet […]. Wir bewundern seine große Leichtigkeit, in Gelegenheitsgedichten alle Zustände durchs Gefühl zu erhöhen und mit passenden Gesinnungen, Bildern, historischen und fabelhaften Überlieferungen zu schmücken."
Im kollektiven Gedächtnis ist aber nicht so sehr Goethes überschwängliches Lob hängen geblieben als der Abschlusssatz dieser Eloge:
"Er wußte sich nicht zu zähmen, und so zerrann ihm sein Leben wie sein Dichten."
Ein Ziel, wird immer wieder von mir verlangt, ein Ziel sollte ich haben. Mein Gott, muss ich da fragen, wo soll denn das hinführen? Christof Stählin
Günther war vom Schicksal gleichzeitig begünstigt und gebeutelt. Begünstigt durch sein Talent, seinen Einfallsreichtum, seine sprachliche Leichtigkeit und seine Schöpfungskraft. Gebeutelt durch Probleme und die Lebenskämpfe, die er zu bestreiten hatte: mit seinem Vater, der mit ihm gebrochen hatte (weil er Dichter und nicht Arzt/Theologe werden wollte), mit der Wankelmütigkeit seiner Frauen, mit dem Alkohol, und mit den Schwierigkeiten, sich eine "bürgerliche Existenz" aufzubauen. Als er zum Poeta laureatus Caesareus gekürt wurde, fehlte ihm das Geld für die Feierlichkeiten, die er auszurichten hatte, und so häufte er auch noch Schulden an.
Er ging schließlich nach Moskau, war auch dort auf die Hilfe von Freunden angewiesen (u.a. des Schriftstellers Nikolai Karamsin), 1792 wurde er tot in einer Moskauer Straße gefunden. Lenz wurde immerhin 41. Schon 1776 schrieb er:
An das Herz
Kleines Ding, um uns zu quälen, Hier in diese Brust gelegt! Ach, wer’s vorsäh, was er trägt, Würde wünschen, tätst ihm fehlen!
Deine Schläge, wie so selten Mischt sich Lust in sie hinein! Und wie augenblicks vergelten Sie ihm jede Lust mit Pein!
Ach! und weder Lust noch Qualen Sind ihm schrecklicher als das: Kalt und fühllos! O ihr Strahlen, Schmelzt es lieber mir zu Glas!
Lieben, hassen, fürchten, zittern, Hoffen, zagen bis ins Mark Kann das Leben zwar verbittern, Aber ohne sie – wär’s Quark!
„Da wir nichts tun können als schreiben, so müssen wir tun, was wir können.“ - Christoph Martin Wieland
"Die Frage ist nicht, was wir dürfen. Die Frage ist, was wir mit uns machen lassen“ - Nena, 25.7.2021
Günther hat übrigens auch eine Besserung "irgendwann" bzw. "endlich" besungen:
Trost-Aria (von Johann Christian Günther)
Endlich bleibt nicht ewig aus, Endlich wird der Trost erscheinen, Endlich grünt der Hoffnungsstrauß, Endlich hört man auf zu weinen. Endlich bricht der Tränen Krug, Endlich spricht der Tod: Genug!
Endlich wird aus Wasser Wein, Endlich kommt die rechte Stunde, Endlich fällt der Kerker ein, Endlich heilt die tiefe Wunde. Endlich macht die Sklaverei Den gefangnen Joseph frei.
Endlich, endlich kann der Neid, Endlich auch Herodes sterben, Endlich Davids Hirtenkleid Seinen Saum in Purpur färben, Endlich macht die Zeit den Saul Zur Verfolgung schwach und faul.
Endlich nimmt der Lebenslauf Unsres Elends auch ein Ende, Endlich steht der Heiland auf, Der das Joch der Knechtschaft wende, Endlich machen vierzig Jahr Die Verheißung zeitig wahr.
Endlich blüht die Aloe, Endlich trägt der Palmbaum Früchte, Endlich schwindet Furcht und Weh, Endlich wird der Schmerz zunichte, Endlich sieht man Gottes Tal: Endlich endlich kommt einmal.
Ein Ziel, wird immer wieder von mir verlangt, ein Ziel sollte ich haben. Mein Gott, muss ich da fragen, wo soll denn das hinführen? Christof Stählin